Weibliche Genitalverstümmelung, auf Englisch female genital mutilation (FGM), bedeutet, dass Mädchen und manchmal Babys Teile ihrer Genitalien abgeschnitten werden - mit verheerenden Folgen für Gesundheit, Psyche und Sexualität. Vor fünfzehn Jahren glaubte man, dies sei nur in Afrika verbreitet. WADI war die erste Organisation, die diese Menschenrechtsverletzung in Asien zum Thema machte. Heute leitet WADI eine umfassende Kampagne gegen FGM im Nordirak und vernetzt Initiativen gegen FGM in ganz Asien.
Im Jahr 2004 entdeckten WADIs mobile Teams bei ihrer Gesundheitsaufklärung in Dörfern, dass FGM dort eine übliche Praxis war. Nach einer Pilotstudie initiierte WADI die erste Kampagne gegen FGM in der autonomen kurdischen Region. Mehr als 14.000 Unterschriften kamen für eine Petition zusammen, die der Regierung ein Gesetz zum Verbot von FGM empfahl. Im Jahr 2010 veröffentlichte WADI eine erste Studie über FGM in der kurdischen Region Iraks, die eine Verbreitung von 72% feststellte. Zuerst zögerte das Parlament. Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) ist wie Sexualität im Allgemeinen ein Tabu in der irakisch-kurdischen Gesellschaft. Doch im selben Jahr veröffentlichte das Gesundheitsministerium der kurdischen Region eine eigene Studie, die ebenfalls die Verbreitung von FGM belegte. Im Juni 2011 verabschiedete das Parlament die Gesetzesvorlage gegen häusliche Gewalt, die zugleich FGM verbietet.
In Zusammenarbeit mit dem neugeschaffenen Amt für häusliche Gewalt konnte WADI seine Kampagne auf alle Sektoren der Gesellschaft ausweiten. Neben dem laufenden Programm für FGM-freie Dörfer besuchen mobile WADI-Teams Schulen, religiöse Einrichtungen und Sportvereine, um über FGM aufzuklären. WADI gibt Seminare für ehemalige Beschneiderinnen, die mit einem staatlich anerkannten Zertifikat für Geburtshilfe abschließen. WADI organisiert die Ausbildung von Polizisten, Rechtsanwälten und Richtern zu häuslicher Gewalt und FGM. Von WADI in Zusammenarbeit mit UNICEF produzierte Fernsehclips, die über das Gesetz informieren, laufen regelmäßig auf kurdischen Kanälen.
Jüngste Studien zeigen, dass die Kampagne Erfolg hat. In einer Befragung von Unicef aus dem Jahr 2014 gaben 70% der Befragten an, FGM abschaffen zu wollen. Im Jahr 2017 stellte die Heartland-Stiftung fest, dass die Beschneidungrate bei Mädchen um 34 Prozentpunkte im Vergleich zur Muttergeneration gesunken war.
Und ein ganz besonderer Erfolg war WADI im Jahr 2020 beschieden: Umfragen in der Region Germian, in der 2004 alles begann zeigten, dass so gut wie keine neuen Fälle mehr dokumentiert wurden. So lautete dann auch die Schlagzeile einer der großen irakisch-kurdischen Fernsehkanäle Kurdistan 24: „Kurdische Region Germian beendet FGM“
Doch WADI engagiert sich nicht allein im Irak. Im Jahr 2013 wurde die „Stop FGM Middle East & Asia“-Kampagne gestartet. Ihr Hauptziel war es, Informationen über FGM in anderen asiatischen Ländern zu sammeln und bekannt zu machen. Durch Recherche und Kontakte mit Aktivistinnen in vielen Ländern konnte WADI das Ausmaß des Problems zeigen: FGM wird praktiziert in Oman, Jemen, die VAE, Jordanien, Iran, Pakistan, Indien, Sri Lanka, Malaysia, Indonesien, Thailand, Kambodscha, die Philippinen, Brunei Und die russische Republik Dagestan. Die Stop FGM Middle East Kampagne organisierte zwei internationale Konferenzen, eine in Istanbul, eine in Singapur und unterstützt eine Kampagne im Iran. Darüber hinaus fördert sie Studien durch ein Research-Tool-Kit und sammelt Fatwas (religiöse Entscheidungen) gegen FGM.
Seit einigen Jahren hat sich dank dieser Kampagne international die Einsicht durchgesetzt, dass FGM auch in anderen Weltregionen außerhalb Afrika weit verbreitet ist. 2018 widmete sich deshalb etwa der internationale Tag der genitalen Selbstverstümmelung der betroffenen Mädchen und Frauen in Asien.